Wolfgang Tillmans: Die Videobotschaft vom Schirmherrn

Wolfgang Tillmans: Die Videobotschaft vom Schirmherrn

Wolfgang Tillmans: Videobotschaft vom Schirmherrn des 1. Remscheider CSD

Liebe Teilnehmende des 1. Remscheider CSD,

Ich freue mich, die Ehre zu haben, Schirmherr des ersten Remscheider Christopher Street Day zu sein.

Ich kann leider nicht selber in Remscheid dabeisein, weil ich eine Ausstellung neuer Bilder in New York habe, von wo ich dieses Grußwort spreche.

Ich bin 1968 in Remscheid in eine Welt geboren worden, in der Liebe zwischen zwei Männern noch unter Strafe stand. Meine Eltern erzählten mir mal, wie man in der Stadt in den 50er/60er Jahren hinter vorgehaltener Hand über sogenannte „175er“ argwohnte und mancher von ihnen den Ausweg aus dieser Ausgrenzung nur im Selbstmord sah. Der Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs von 1871, den die Nazis noch 1935 verschärft hatten, wurde 1945 nicht aufgehoben sondern unverändert beibehalten. Erst 24 Jahre nach dem Ende der Gewaltherrschaft wurde er endlich weitgehend abgeschwächt, war aber noch weitere 25 Jahre bis 1994 im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik verankert.

Die Lage Homosexueller in anderen Ländern war ähnlich prekär und ungerecht. Heute feiern wir den Tag im Jahr 1969, an dem sich erstmals Schwule in New York gewaltsam gegen Polizeischikanen und Verfolgung vor der Bar Stonewall Inn in der Christopher Street gewehrt haben. Die Unruhen setzten eine Energie der Befreiung gegen die gesellschaftliche Unterdrückung frei, die um die Welt ging.
Seitdem ist vieles passiert. In den meisten demokratischen Ländern Europas und der Welt ist Gleichstellung heute per Gesetz garantiert.

Das war ein langer Weg und ich bin den früheren Generationen zutiefst dankbar, die die Mühe auf sich genommen haben, für Freiheit, Akzeptanz und gleiche Rechte zu kämpfen.

Es ist toll, dass fast alle demokratischen Parteien in deutschen Städten den jährlichen CSD, und damit die Gleichstellung von LGBT+ Menschen, unterstützen.

Man könnte nun fragen, wozu braucht es denn dann überhaupt noch einen Christopher Street Day? Ist nicht schon alles erreicht? Es muss doch mal Schluss sein mit den Forderungen! Die Antwort ist klar. Unsere Freiheit ist nicht sicher solange es immer noch Menschen und religiöse und ideologische Extremist*innen und eine Partei gibt, deren Mitglieder das Recht, welches sie selber geniessen, um lieben und leben zu können wie sie wollen, anderen vorenthalten wollen – die anderen Menschen vorschreiben wollen, wie sie in ihrem Körper fühlen und leben sollen.

Die Rechte von Lesben Schwulen Bisexuellen Trans Queeren Intersex und asexuellen Menschen sind nichts weniger als Menschenrechte. Wir wollen nichts Außergewöhnliches und keine Sonderwünsche, wir wollen nur die gleichen Rechte der Selbstbestimmung haben, wie sie in der heterosexuellen Gesellschaft als normal angesehen werden. Respekt, offen leben können und uns nicht verstecken oder verstellen zu müssen, am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Familie, im Freundeskreis oder im Sportverein. Das schafft Zusammenhalt und Vertrauen und kostet niemanden etwas, trotzdem ist es in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch nicht selbstverständlich.

Zum Abschluss möchte ich noch daran erinnern, dass Frauenrechte und LGBT+ Rechte eng miteinander verbunden sind. In vielen Ländern sind heute immer noch beide gleichzeitig bedroht und es gibt sogar aggressiv-repressive Gegenbewegungen, die uns bereits gewonnene Rechte im Namen von “Familie” und “Religion” wieder nehmen wollen.

Ich freue mich, dass heute in Remscheid gemeinsam von vielen Menschen aus der ganzen Stadt und dem Bergischen Land ein Zeichen für Gleichheit, Respekt und Emanzipation gesetzt wird und wünsche allen einen ausgelassenen Tag.

Ganz herzlich
Wolfgang Tillmans

www.tillmans.co.uk
www.betweenbridges.net

Sascha von Gerishem

Website: https://www.muteinander.de

(Pronomen: er|ihn) Mitglied der CSD-Orga Remscheid, Sprecher und Initiator von Muteinander, 2. Vorsitzender von Remscheid Tolerant, Mitglied der Steuerungsgruppe Fairtrade-Town Remscheid, Mitglied der Lenkungsgruppe NRWeltoffen Remscheid, Mitglied des Arbeitskreises Bildung und Kultur der Ökumenischen Initiative Lüttringhausen als Betreiberin des Flair-Weltladen, Vorstandsmitglied im Heimatbund Lüttringhausen, Mitbetreiber vom Haus Goldenberg